Gastkolumne: Arno von Rosen:TV macht uns schlau!

 Arno von Rosen
TV macht uns schlau! 

Doch, doch, stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel. Fernsehen macht nicht blöde, jedenfalls nicht mehr als früher, oder? Was waren das für unschuldige Zeiten, als Robert Lemke mit verbundenen Augen Berufe und Prominente erraten hat, und das für 5 Mark pro falscher Antwort vom Rateteam. Bei "Wetten, das …" ging es ums Machbare, nicht um Gummibärchen, oder Prominente, die sich so kleiden wie Gummibärchen, die zu lange in der Sonne gelegen haben. Nachrichtensprecher bewegten nur die Mundwinkel, und starrten noch auf richtige Nachrichtenblätter, aus echtem Papier. Mann, was für eine Zeit! 

Eine Spielshow hatte nur einen Zweck: Sie sollte unterhalten, nur so zum Spaß! Wäre es nicht schon so lange her, man könnte es glatt für revolutionär halten. Und vergessen Sie nicht die alten Kochsendungen. Biolek hat noch einen Kochlöffel benutzt, und die größte Errungenschaft war ein Loch in der Theke, wo der Biomüll gelandet ist. Ein mieses Gericht war "interessant", der Rest einfach Unterhaltung mit Gästen. 

In Talkshows fragte man noch kritisch nach und es wurde gequalmt, bis der Nachbar im Nebel verschwunden war, und niemand störte es. Die Musiksendungen waren brav für junge, ältere und die arbeitende Generation eingeteilt, mit Schlagerbarden, Rocksängern und weltweit bekannten Popstars, wie den Beatles, Rolling Stones oder Abba. Heroen wie Waalkes, Frankenfeld, Krebs, Böttcher, Berben und viele mehr, haben uns den Spaß ins Wohnzimmer gesendet. 

Um Mitternacht war Sendeschluss mit anschließendem Testbild, und die Großereignisse waren Sportveranstaltungen alle paar Jahre. Dazwischen war Zeit für die Familie, oder sogar echte Partnersuche, die ohne Maus und Tastatur funktioniert hat (die waren halt noch nicht erfunden, ich meine die Maus und die Tastatur). Die Politik bestand aus Sozis und Christlichen, hatte eine Kante so klar wie mit dem Vorschlaghammer gedengelt, und die Reden im Bundestag waren besorgniserregend gradlinig. Kurzum, Fernsehen spiegelte das reale Leben wieder. Und heute? 

Was denkt die Generation zwischen 45 und 55 Jahren? Mein TV hat 1400 Kanäle! Gut, die meisten davon verschlüsselt, und mit so klanghaften Namen versehen wie, Schnuckelhasen, oder Lustzofen TV, oder ähnliches mehr. Aber wie gefällt mir unser Alltagsfernsehen? 

Klar, heute wird auch noch gesungen in Musiksendungen, aber es wird dabei gecastet, das heißt, junge,  unverbrauchte und zumeist talentfreie Menschen werden durch das Fernsehstudio getrieben, dass es jedem engagierten Tierschützer die Zornesröte ins Gesicht treiben würde, wären es nur Schweine. Sind es aber zum Glück nicht. 

In Talkshows wird brav gefragt, und natürlich lieb geantwortet, denn es gibt ja noch dieses Social Media, das bei jeder falschen Textzeile einen Shitstorm auslöst, natürlich anonym. Für so etwas hat man früher Zeitungsartikel geschrieben, aber nur, wenn es wirklich nicht mehr anders ging, und nur in der Zeitung mit den vier großen Buchstaben. 

Kochsendungen haben mittlerweile Operettenstatus, und ohne Flüche, mittelschwere Verletzungen, sexuelle Nötigung von Gästen oder Moderatoren, ist die Sendung ein Flop gewesen. Sterneköche sorgen für das richtige Maß an Aaaaaaaahs, Ooooooohs und Mmmmmmmhs, und lassen derweil ihre Küchenchefs die Rezepte im eigenen Laden hoch und runter kochen. Perfekt, versteht sich. Nicht zu vergessen die Unterhaltungsshows, die heute ein Meer aus Werbepartnern sind, die auf alles gepresst werden was durchs Bild läuft, schwimmt, kraucht, fällt oder fliegt. 

Wenn es etwas zu gewinnen gibt, sind es selbstverständlich gleich Millionen, gesponsert von der Bankengruppe, die noch vor kurzem unsere Ersparnisse verzockt hat, und jetzt einen neuen Namen trägt. Menschen lernen sich kennen und hassen, sofort nachdem sie sich die Zunge in den Hals geschoben haben, aber zuerst gibt’s Rosen, oder anderen Plunder, der die Romantik unterhalb der Gürtellinie wecken soll. 

Unterhaltung muss heute mit Krawall daher kommen, ob Fahrzeuge, Kochgeschirr, lustig angezogene Komiker (um sie zu erkennen, nicht weil es wirklich noch komisch wäre) oder vorgeführte Neuunternehmer, die von ziemlich dümmlichen und meist zufällig reich gewordenen Top-Unternehmern entweder so schnell über den Tisch gezogen werden, dass sie die Reibungshitze als Nestwärme empfinden, oder mit einem freundlichen Tritt aus dem Studio expediert werden, weil der geneigte Geschäftsmann und angebliche Weltenbummler der Big Business Szene nicht verstanden hat, um was es überhaupt ging. Selbst Politiker ändern heute so schnell ihre Meinung, dass mir die Lichtgeschwindigkeit doch eher gemächlich daher kommt, was Einstein hätte sicher beweisen können. 

Und so grüble ich weiter, ob das Einschalten meines Gerätes bereits Verschwendung meiner Lebenszeit ist, oder doch noch zum Erhalt unseres Klimas beiträgt, denn desto mehr Strom ich bei meinem Energiesparfernseher verbrauche, desto billiger wird mein Ökostrom, und gerade eben, weil ich einer der Guten bin, lass ich das Ding laufen, wohin auch immer.. Jetzt sehe ich mir an was geht, komme bis Kanal 35, weiß jetzt wie die Börse in Tokio läuft, das Kalifornien seinen Rasen grün anmalt, weil die kein Wasser haben, welcher Landwirt gerade heiratet, obwohl die Angetraute das für einen Trinkspruch hält, der Nachrichtensprecher an seine Kollegin abgibt, und die wiederum an ihn, solange bis die Sendung vorbei ist, und ich jetzt wenigstens im Schlaf deren Namen aufsagen kann, und immer noch nicht mitbekommen habe, was gerade in der Kochsendung verwurstet wurde, aber es wenigstens eine Riesensauerei gab, und ich eine kleine Träne der Ernüchterung im Augenwinkel habe (ist vielleicht auch nur Langeweile), die mir mitteilt, dass es Zeit ist ins Bett zu gehen, alleine schon aus dem Grund, weil sich morgen alles wiederholt, außer dem Wetterbericht, den Lottozahlen und der Meinung eines Politikers. 

Es grüßt Sie mit stoischem Blick, Ihr Arno von Rosen,

Buchautor, Koch aus Leidenschaft, und ex TV Junkie – bleiben Sie wach und klug.

Fotos: Arno von Rosen





4 Kommentare:

  1. Lieber Arno, deiner Kolumne ist nichts hinzuzufügen. Du sprichst mir und sicherlich vielen anderen Menschen aus der Seele. Danke für deine klaren und geradlinigen Gedanken. LG, Molly

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    1. Danke Molly, freut mich, wenn wir dieselben TV Erlebnisse hatten ;-)

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  2. Der Artikel gefällt mir wirklich gut!Ehrlich gesagt, finde ich schon, dass manche Sachen im Fernsehen heute gut und witzig gemacht sind. Viele Dokus sind doch wirklich klasse recherchiert. Auf der anderen Seite nerven mich die vielen grausamen Bilder, die "ganz normal" sind... Und mir haben die früheren Komik-Sendungen ala Didi Hallervorden und Otto Waalkes nie richtig gefallen, weil deren Humor doch stellenweise wirklich platt war, ohne jemanden zu nahe treten zu wollen... Allen eine schöne Zeit ohne zu kalte Füße bei den doch recht kühlen Temperaturen, Eure Nessy von den happinessygirls.com

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  3. Und so grüble ich weiter, ob das Einschalten meines
    Gerätes bereits Verschwendung meiner Lebenszeit ist, oder????????

    Mon cher Baron,

    Schön zu lesen dass, auch intelligente Köpfe Ihre Probleme mit der Glotze haben, dafür oder dagegen? Es ist schwer zu erklären aber die Kiste ist nun Mal da und der Geist ist frei und willig dazu zu lernen, oder daran zu verblödeln, manchmal komme ich mir vor weltfremd und ausserirdich weil ich so eine Kiste nicht habe, bin ohne groß geworden, Abends las die Großmutter was vor oder wir haben Gesellschaftsspiele, zum Trost gespielt. Es fällt mir einfach schwer, der Magier, wie mein Opa das TV Gerät genannt hat, zu akzeptieren und es an meine Leben teilhaben zu lassen. So bleibt mir nur noch die Flucht in andere Unterhaltungsmöglichkeiteiten. Möchte aber mit dem Alten Fritzen zum Schluß kommen und den Großartigen König zitieren: Jeder sollte auf seine Fasson seelig sein: Chacun à sa façon

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