Gastkolumne Arno von Rosen: Ein Tag mit Marcia Zuckermann

 Marica Zuckermann
Ohne soziale Medien wären wir uns wohl nie begegnet und schon alleine wegen solcher Gelegenheiten finden wir beide diese Plattformen gut. Es kommt eben immer darauf an, was man/ frau aus einer solchen Sache macht und Marcia ist ein sehr interessierter und ein noch interessanterer Mensch. Deshalb habe ich überhaupt nicht uneigennützig daran mitgewirkt, sie nach Marburg für eine Lesung ihres Buches "Mischpoke" (Jüdisch für bucklige Verwandtschaft) zu locken. Von der Ankunft am Bahnhof, bis zur Abfahrt in ihr geliebtes Berlin, bin ich ihr, bis auf die Nachtruhe, nicht von der Seite gewichen und habe dabei einen außergewöhnlichen Menschen kennen gelernt.

 In den Einträgen bei Wikipedia oder Google kann man nachlesen, wie die Gründerin des Berliner "ZITTY" Magazines (existiert heute noch) ihre Lehrjahre in New York, Paris, London und Barcelona verbrachte. Mir erscheint es eher so, als hätte Marcia Zuckermanns Neugierde und Furchtlosigkeit sie in die Welt hinaus getrieben und keine mögliche Lehrzeit. Bei jedem Gespräch mit ihr blickt man in dunkle funkelnde Augen, die hinter der Stirn ihres Gegenübers nach Wahrheit, Aufrichtigkeit und Inhalt suchen. Nie so, dass ihr Gesprächspartner das Gefühl des ausgeliefert seins verspüren könnte, denn sie ist höflich, aber resolut, bescheiden, aber sie weiß was sie will, bodenständig und doch ein wenig eitel (als ich ihr die Photografien unserer zwei Tage zeigte und sie mir ihre Schokoladenseite erklärte) und doch bleibt man besser man selbst, denn eine Rolle würde sie sofort entlarven. Sicher eine Eigenschaft, die ein selbstständiges Lebens zwangsläufig mit sich bringt, vorausgesetzt man bringt den nötigen Intellekt dafür auf. Marcia als rüstig zu bezeichnen, wird der Sache nicht annähernd gerecht, schließlich ist es schwer, ihr bei der Führung durch Marburg zu folgen und gleichzeitig alle Fragen zu beantworten, egal welches Geburtsdatum im Netz nun das richtige ist (anm. d. Red. "Ich weiß es").

Die Vorbereitung ihrer Lesung überlässt sie niemandem und ist an jedem Detail interessiert und prüft alles, vom Licht, bis hin zur Technik. Keine Frage, diese Frau hat einen Plan fürs Leben, egal in welchem Land sie sich befindet oder welche Menschen sie auch trifft. Ich persönlich mag es abgecheckt zu werden und Taten sind mir immer lieber, als darüber zu reden, weshalb die Vorbereitung für diese Lesung zwar 10 Monate gedauert hat, aber nur 5 Nachrichten und kein Telefonat benötigt hat. Effizient eben, so wie Marcia Zuckermann es mag, ohne große Schnörkel. Dabei hat sie einen guten Humor, bei dem der politisch korrekte Normalbürger die Ohren anlegen würde, nicht Etepetete, sondern gerade heraus, so wie sie selbst.

Da die Lesung in einem berühmten alten Café in der Marburger Oberstadt stattfand, wurde mir versichert, dass die Geräuschkulisse doch erheblich sein werde und die Autorin versicherte mir ihrerseits, damit leicht und schnell fertig zu werden. Nun, bis auf ein unvorsichtig lautes Grüppchen von Sonntagsausflüglern, die lärmend den falschen Bereich des Cafés entern wollten und die sie mit einem halben Satz sofort zur Umkehr bewegte, konnte man während der kompletten Lesung eine Stecknadel fallen hören, falls sich diesen Fauxpas jemand getraut hätte. Natürlich sollte man einer Vorleserin Respekt entgegen bringen, schließlich ist ja jeder Anwesende genau deswegen gekommen, aber mir erschloss sich ein gänzlich anderes Bild.

Marcia Zuckermann hat während dieser guten Stunde eine Aura erschaffen, als ob es das leichteste der Welt wäre, von einer kleinen, quirligen Frau zu einer Lesegöttin zu mutieren und doch wirkte es spielerisch. Was vorher nur hinter den klugen Augen verborgen blieb, warf jetzt erbarmungslos sein Netz aus und selbst der Journalist der oberhessischen Presse, ein sehr junger Mann, folgte der Lesung mit stummer Begeisterung und blieb auch nach dem kurzen Interview noch eine Weile, obwohl es Sonntag war und der Artikel am Montag erscheinen sollte. Die Lesung hatte mehr den Charakter eines Theaterstückes als Kammerspiel und ihre Stimme brachte im Berlinerisch der Jahrhundertwende (1900) die Geschehnisse ihrer Familie so nahe, als ob man diese durch einen Türspalt vom Nebenraum aus betrachten könnte. Untermalt mit Musik und ein paar Liedern, welche dramaturgisch zwischen die Kapitel gesetzt wurden, verging die Zeit wie ein Nebel an einem Sommermorgen.

Die Zuhörer waren so beeindruckt, dass sie kaum eine Frage heraus brachten, aber auch dort trat wieder der Humor der Autorin zu Tage, die kurzerhand selber die nicht gestellten Fragen beantwortete, sehr zum Gefallen des Publikums, welches dann natürlich seine Einzelgespräche und Widmungen bekam ohne den geringsten Zeitdruck. Ich habe Marcia später noch versucht einzureden ein Hörbuch unbedingt selber einzulesen, aber sie winkte nur ab und behauptete, dass dieses ja dann vier Tage dauern würde, bei so vielen Stimmbandpausen. So appelliere ich an die zukünftigen Verleger und Macher rund um diese außergewöhnliche Autorin, denn diese Zeit wäre, kaufmännisch betrachtet, ein goldenes Investment. Jene unter Ihnen, die Lesungen abhalten, organisieren oder sich dafür interessieren, kann ich nur raten, sich Frau Zuckermann für ein solches Event zu angeln, bevor es zeitlich nicht mehr möglich ist.

Mein Zitat von heute stammt von Marcia Zuckermann (absolut alterslos und Sternzeichen Stier) Journalistin, Autorin, Weltenbürgerin und Philanthropin. - 

 "Ick les nich nur vor, det is mir zu langweilig, die Leute wolln doch eine Show!"

Es grüßt Sie Ihr zuhöriger Arno von Rosen, Buchautor, Kolumnist, Blogger und Vorleserinnenbegleiter. Mein Rat für die nächsten Jahre. Treffen Sie mehr interessante Menschen und lassen Sie sich mal ordentlich vorlesen, denn das Leben ist zu kurz, um auf die schönen Dinge des Lebens zu verzichten.

Foto: aus dem Bestand von Arno von Rosen



1 Kommentar:

  1. Hallo Arno, Deine Kolumne ist sehr liebe- und respektvoll geschrieben und macht unheimlich neugierig! Danke Katya Bosse

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